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Geodäsie im Bauwesen
Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Scherer

 

 

 

 

  

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Geodäsie im Bauwesen » Fakultät für Bau- und Umweltingenieurwissenschaften » Ruhr-Uni Bochum

 

Forschung: Phototachymetrie

 

Instrumentelle Voraussetzungen

Vorbereitende Arbeiten

Aufbau des 3D-Modells

Anwendung

 

               

Phototachymetrie: Eine Methode zur Bauaufnahme und zur Erstellung eines virtuellen Modells

 

Allgemeines


Die Methode verknüpft aufs Engste Elemente von Photogrammetrie und Tachymetrie mit dem Ziel, die Objektgeometrie zu bestimmen und sie gleichzeitig mit photorealistischer Textur zur Visualisierung zu belegen. Der Begriff Phototachymetrie symbolisiert diese Symbiose. Prädestiniert zur Aufnahme von Bauwerken, die sich durch geometrische Regelkörper repräsentieren lassen, kommt die Methode mit den Werkzeugen Tachymeter und Digitalkamera aus. Aufnahme und Auswertung können vor Ort erfolgen oder - wie in Photogrammetrie und Laserscanning - zeitversetzt.
 

Phototacheometry combines elements of photogrammetry and tacheometry. It is predestined for mainly even surfaced regular shaped buildings. Geometry and photorealistic visual model are obtained in one step on-site. Another possibility to use it is to make only necessary measurements and photos on-site and to work it out in the office.
 

 

Instrumentelle Voraussetzungen


Hardwareseitig benötigt man ein reflektorlos messendes Tachymeter, häufig auch als Totalstation bezeichnet, ein Notebook für die Arbeit vor Ort sowie eine Digitalkamera, also gebräuchliche Gerätschaften aus der Vermessungspraxis. Wünschenswert, nicht zwingend, ist eine motorisierte Totalstation: Sie ermöglicht zusätzliche bequeme Arbeitsweisen (s.u.), denn sie kann über das Notebook gesteuert werden.

 

 

 

Vorbereitende Arbeiten:  Aufnahme und Orientierung der Bilder

 

Die Bildorientierung vor Ort ist wesentlich einfacher realisierbar als gemeinhin in der Photogrammetrie: Die Passpunktkoordinaten müssen nicht mühsam den Bildkoordinaten zugeordnet werden; stattdessen wird ein markanter Punkt im Bild ausgewählt und mit der Totalstation der entsprechende Objektpunkt direkt angemessen. Objekt- und Bildkoordinaten gewinnt man so quasi simultan. Der Prozess des Identifizierens und des Referenzierens entfällt. So geschieht die äußere  Orientierung schnell, automatisch und programmgeführt.

 

 

 
Der phototachymetrische  Arbeitsprozess

 

Die Phototachymetrie nutzt sowohl Elemente der Tachymetrie als auch der Photo-grammetrie:

Ein Bauwerk lässt sich i. a. aus regelmäßigen geometrischen Grundformen, z. B. Ebene, Kegelstumpf oder Kugelausschnitt, modellieren. Diese generalisierenden Regelkörper, die geometrischen Primitiven, sind mit wenigen Messpunkten tachymetrisch zu bestimmen, eine Ebene z.B. über drei Raumpunkte. Da diese Punkte bezüglich der geometrischen Figur beliebig liegen dürfen, ist kein genaues Anzielen nötig. Diese Messungen sind der Anteil der Tachymetrie an der Methode. Im ersten Verfahrensschritt erfolgt also die tachymetrische Bestimmung der Geometrie bzw. der  räumlichen Lage eines Regelkörpers.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zur Begrenzung des Regelkörpers – im Beispiel also der Übergang von der Ebene zur Fläche -, wird im zweiten Schritt das orientierte Bild des Objekts benutzt: Zu jedem Bildpunkt, z.B. einer Gebäudeecke, gehört ein Bildstrahl. Dieser wird wie in der Photogrammetrie üblich rekonstruiert und dann mit dem tachymetrisch bestimmten Regelkörper geschnitten. Dies ergibt die Koordinaten des Eckpunktes. Die Abfolge von Punkten legt ein Begrenzungspolygon fest. Automatisch erfolgt die Entzerrung der eingeschlossenen Bildfläche. Diese entzerrte Orthogonal-Ansicht des Bildausschnittes dient als Textur für das photorealistische Modell. Da sich Bild und Totalstation die Aufgabe der Koordinatenbestimmung teilen, entfällt das photogrammetrische Erfordernis der Bildüberdeckung bei ausreichend großer Basis: Alle Partien des Objekts müssen prinzipiell nur einmal fotografiert werden.
 


Aufbau des 3D-Modells

Die phototachymetrisch bestimmten Koordinaten und die zugehörigen zur photorealistischen Texturierung entzerrten Bildausschnitte werden unmittelbar nach deren Erzeugung automatisch zur Betrachtung mit den handelsüblichen Viewern z. B. im VRML-Format aufbereitet. Die Entstehung des dreidimensionalen virtuellen, texturierten Modells kann so schon vor Ort beobachtet  werden und seine Vollständigkeit und Richtigkeit sind überprüfbar.

 

Weitergehende Automationsschritte

a) Steuerung der Totalstation über die Bilder

Eine reflektorlos messende Totalstation kann entweder manuell oder motorisch ausgerichtet werden. Die motorisierte Totalstation lässt sich jedoch komfortabel über das orientierte Bild steuern:


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beim Klick ins Bild fährt sie automatisch den zugehörigen Objektpunkt an, und die Koordinate wird gemessen. Dies ermöglicht eine besonders rasche Bestimmung der bauwerksbeschreibenden Regelkörper. Ist die Totalstation darüber hinaus kabellos mit dem Notebook verbunden, kann sie günstig zum Objekt platziert werden, während man sich mit dem Notebook direkt am Bauwerk aufhält.

 

b) Aufnahme unregelmäßiger Objekttopografie

 

 Bei der dargestellten typischen zweistufigen Vorgehensweise der Phototachymetrie wird im ersten Schritt die geometrische Grundfigur tachymetrisch bestimmt und im zweiten  werden die Punktkoordinaten über den Schnitt mit dem Bildstrahl ermittelt. Ein Dreieck lässt sich jedoch in einem einzigen Arbeitsschritt auf das Objekt legen: Seine Eckkoordinaten werden tachymetrisch gemessen und automatisch wird der zugehörige entzerrte Bildausschnitt bestimmt. So kann man rasch ein ganzes Dreiecksnetz aufbauen, das die Oberfläche nach Art der topografischen Aufnahme approximiert, grobmaschig aber gezielt, besonders elegant unter Einsatz der Bildsteuerung einer motorisierten Totalstation (s.v.). Die Dreiecksvermaschung bietet sich zur Aufnahme und Texturierung von unregelmäßigen Oberflächen an, vgl. die Felsformation im Vordergrund des Modells. 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Phototachymetrie in der Anwendung

 

Eine methodische Unterscheidung lässt sich mit „Arbeit vor Ort von der Aufnahme bis zum fertigen Modell“ und „Ermittlung der Grundformen und ausgewählter Punkte vor Ort, aber mit nachfolgender häuslicher Bearbeitung“ beschreiben. Die Trennung von Aufnahme und Auswertung (vgl. Laserscannen und Photogrammetrie) kommt den technisch orientierten Anwendern entgegen. Bauforscher, Archäologen und Denkmalpfleger legen demgegenüber Wert darauf, vor Ort zu dokumentieren, in engem Kontakt zum Bauwerk.

Im folgenden Beispiel wurde in die Aufnahme vor Ort und in die häusliche Bearbeitung getrennt. Dieses Vorgehen kommt mit den einfachsten instrumentellen Voraussetzungen aus; ein motorisiertes Tachymeter ist dann nicht nötig. Dennoch sei betont: Die Phototachymetrie ist das einzige Aufnahmeverfahren, das die vollständige Visualisierung vor Ort erlaubt. Das virtuelle Modell ist hierbei als durchgreifende Messungskontrolle wertvoll.

                           Ansichten des detailreichen virtuellen Modells des  Adlerturms in Dortmund


Vergleich der Phototachymetrie mit Laserscanning und Photogrammetrie

Zur besseren Einschätzung der Möglichkeiten der Phototachymetrie im Verhältnis zu Laserscanning und Photogrammetrie seien einige Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufgezeigt: Ein virtuelles Modell benötigt i. a. wenige charakteristische Punkte zur Beschreibung der Geometrie. Werden aus der Punktwolke des Laserscannens geometrische Primitive extrahiert, wird die große Anzahl an Messpunkten drastisch reduziert. Trotz Automation erfordert dies immer noch manuellen Einsatz. Anschließend wird das geometrische Modell mit Bildtextur überzogen, die entweder einer Kamera entstammt, die, verbunden mit dem Laserscanner, synchron Bilder liefert (vgl. Einbaukameras in Totalstationen), oder aber  man nutzt auch hier –flexibler arbeitend- Bilder frei beweglicher Kameras. Dann muss jedoch wie in Photogrammetrie oder Phototachymetrie die äußere Orientierung über Passpunkte hergestellt werden, ein Prozess, der beim Laserscanning mit Identifizierung und Referenzierung genauso aufwändig ist wie in der Photogrammetrie oder beim Einsatz der klassischen Tachymetrie. In der Phototachymetrie hingegen ist sie schneller durchführbar, da die Zuordnung von Bild- und Objektpunkt direkt Punkt für Punkt erfolgen kann (s. v.). In größeren Projekten und bei gehobenen Genauigkeitsansprüchen wird beim Laserscanning wie auch in der Photogrammetrie tachymetrisch gemessen: zur Verknüpfung der Scannerstationen, zur Einmessung von Marken usw. Dieser nicht verfahrensimmanente Aufwand entfällt bei der Phototachymetrie, weil diese von Haus aus die Tachymetrie benutzt.

Generell lässt sich nicht sagen, wann Laserscanning, Phototachymetrie oder Photogrammetrie ideal einzusetzen sind. Bei Objekten mit stark undulierter, strukturierter Oberfläche dürfte derzeit das Laserscanning die geeignete Methode sein; ein engmaschiges Dreiecksraster liefert, belegt mit photorealistischer Textur, gleich das virtuelle Modell. – Kosten und apparativer Aufwand sind jedoch vergleichsweise hoch. Ist das Bauwerk durch Regelkörper hinreichend großflächig zu approximieren, so ist eine phototachymetrische Aufnahme von Vorteil: Schon während des Aufnahmevorganges wird generalisiert und Details werden mit unterschiedlichen Werkzeugen modelliert. Aber auch die Aufnahme unregelmäßiger Oberflächen ist mit vergleichsweise geringem Aufwand durch die automationsunterstützte Bildung eines Dreiecksrasters möglich (s.v).

 Liegt photogrammetrische Erfahrung vor, wird man die Photogrammetrie vorziehen, sofern eine hinreichend große Aufnahmebasis realisierbar  ist. Dies ist aber gerade bei der Bauaufnahme oft ein Handicap. Dass bei der Phototachymetrie Einzelbilder ausreichen und dass die Koordinatengenauigkeit prinzipiell homogen ist,  stellt einen Vorteil gegenüber der klassischen Photogrammetrie dar, die bei der Koordinatenbestimmung mit dem Vorwärtsschnitt der Bildstrahlen arbeitet, die  also zwei Bilder mit ausreichender Überdeckung benötigt. Die Tiefenungenauigkeit wächst überproportional (Abb. s. unterenTeil der  Grafik).

 

In der Phototachymetrie hingegen schneidet der Bildstrahl den Regelkörper. Er ist zwar der Photogrammetrie entlehnt, aber die Tiefengenauigkeit ist  (abgesehen vom Einfluss des Einfallswinkels des Bildstrahls auf der Objektoberfläche; schräger Strahleinfall bewirkt Abweichungen in Richtung Messstrahl sowie quer hierzu )  durch die tachymetrische Genauigkeit bei der Messung des Regelkörpers bestimmt (Abb. s. oberer Teil der Grafik):


Analog dem Einfluß der Richtungsungenauigkeit in der Tachy-metrie verläuft die Genauigkeits- abnahme nur entfernungsproportional. Für den Distanzbereich einer rein tachymetrischen Bauwerksaufnahme ist die Punktgenauigkeit als homogen und entfernungsunabhängig an zu sehen.
 
Gegenüber dem reinen Laser­scan­ning könnte die Phototachymetrie gerade wegen ihrer Flexibilität – gezielte Aufnahme klarer Strukturen mit wenigen Punkten (Generalisierung vor Ort), Flächenscannen stark undulierter Gebiete, universelle, beweglichere, vorhandene, kostengünstige Geräte - an Bedeutung gewinnen. Unter welchen äußeren Bedingungen sie ökonomisch ein­zusetzen ist, lässt sich genauer beurteilen, sobald mehr Erfahrungen mit den unter­schiedlichen Varianten an verschiedenartigen Objekten, im direkten Vergleich mit den anderen Aufnahmeverfahren und mit weiter verbesserter Software vorliegen. Die photogrammetrischen Auswerteprogramme oder die Software zur Bearbeitung der Punktwolke des Laserscannens sind ausgefeilt; für die Phototachymetrie liegt nur ein „Prototyp“ vor. PHOTON (PHOTotachymetrische ON-site-Aufnahme) baut auf dem Programm TOTAL (Juretzko 2005, s. Literaturverzeichnis) zum intelligenten Scanning und zur Steuerung der Video-Totalstation auf und liefert Geometrie und virtuelles VRML-Modell. Experimentelle Erfahrungen ermöglichen die Fortentwicklung der Software. Es ist zu hoffen, dass professionell erstellte Software unter Berücksichtigung der Möglichkeiten scannender bilderfassender Totalstationen (Scherer, Lerma 2009,  s. Literaturverzeichnis) die Phototachymetrie als präzise, bildorientierte Methode mit exzellentem Visualisierungspotenzial einem breiteren Anwenderkreis erschließen wird.

 

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Letzte Änderung: 02.02.2009 | Kontakt: Mail